Gebäudeduo in Ziegelrot
Galerie und Volkshochschule in Tschechien

Die beiden Nutzungen des Gebäudes sind deutlich erkennbar. Im zweigeschossigen Sockelbau ist die Städtische Galerie untergekommen. Die zwei Obergeschosse sind der Bildungseinrichtung Sféra vorbehalten. © Aleš Jungmann
1909 beauftragten die Gebrüder Winternitz aus Pardubice den tschechischen Architekten Josef Gočár mit der Planung einer Getreidemühle. Der Bauplatz war zentral gelegen, nur unweit nördlich des historischen Stadtzentrums. Die Mühle überdauerte die Zeit des Sozialismus und stellte ihren Betrieb erst 2013 ein. Zehn Jahre später haben die Stadt und ein Privatinvestor den Mühlenkomplex zu neuem Leben erweckt. Insgesamt vier Architekturbüros waren an dem groß angelegten Revitalisierungsprogramm beteiligt – darunter Prokš Přikryl, die Gočárs Bau eine neue Nutzung als Kunst- und Eventlocation gaben.


Der Eingangsbereich zur Galerie liegt wettergeschützt unter den auskragenden Obergeschossen. Im Hintergrund ist das sanierte Mühlengebäude von 1909 zu sehen. © Aleš Jungmann
Stadtgalerie trifft Bildungsbau
Für die Freianlagen und einen Neubau am Nordende des Areals erhielten Šépka Architekti aus Prag den Auftrag. Letzterer vereint zwei sehr unterschiedliche Nutzungen unter einem Dach: Die unteren beiden Geschosse sind der städtischen Galerie vorbehalten, die beiden oberen Ebenen der Institution Sféra, einer Art Hybrid aus Volkshochschule und Fab Lab, das Bildungsangebote und Werkstätten für jedermann anbietet. Die beiden Nutzungen sind räumlich und architektonisch klar voneinander getrennt: Der ziegelbelegte Vorplatz setzt sich in den Außenwänden der Galerie fort – und in Form einer großen Sitztribüne auch auf ihrem Dach. Eine weit auskragende Horizontalmarkise spendet Personen, die sich hier aufhalten, bei Bedarf Schatten. Die Obergeschosse hingegen sind, von zwei Treppenhauskernen gehalten, in eine Cortenstahlfassade gekleidet.


Die Räume der Stadtgalerie sind überwiegend zweigeschossig und werden von Oberlichtern belichtet © Aleš Jungmann
Flexible Raumnutzung ist Trumpf
Die Kunstgalerie lässt sich Mithilfe von Faltwänden und Schiebetüren flexibel umgestalten, um eine oder auch mehrere getrennte Ausstellungen aufzunehmen. Im Erdgeschoss gewähren wenige große Fensteröffnungen Einblicke in den Galeriebetrieb. Eine Etage höher sind weitere Ausstellungsräume, dazu mehrere Büros und eine Künstlerwohnung untergebracht. Das Raumprogramm von Sféra setzt sich aus Seminarräumen – je vier pro Geschoss, an den beiden Enden des Gebäudes – sowie Werkstätten zusammen. Im Eingangsgeschoss gibt es außerdem einen Raum für die Lehrkräfte und gegenüber einen zweigeschossigen Projektionsraum, der Besucherinnen Naturphänomene nahebringen soll.


In den Obergeschossen prägt der mächtige Trägerrost der Decken die Räume. X-förmige Stützen in der Fassadenebene tragen seine Lasten. © Aleš Jungmann
Materialpalette in Ziegelrot
Bei allen Unterschieden gibt es auch Gemeinsamkeiten zwischen den Baukörpern: Die Obergeschosse sowohl der Galerie als auch der Volkshochschule werden durch Oberlichter belichtet, und alle Baumaterialien sind Ton in Ton in Ziegelrot gehalten. Das gilt insbesondere auch für die Betonstruktur der Obergeschosse. Dort liegen die Decken auf einem mächtigen Trägerrost mit einem Raster von 3 x 3 m auf und überspannen die Innenräume über 9 m stützenfrei. Der Trägerrost seinerseits liegt auf markanten, X-förmigen Fassadenstützen auf. Beim Entwurf ließen sich die Architekten vom Wunsch nach Materialehrlichkeit leiten: Alle Ziegelwände sind tragend, ebenso der Sichtbeton, und die Fassadenverkleidung als Cortenstahl in den Obergeschossen ist sofort als leichte Ausfachung erkennbar.
Architektur: Šépka architekti / Jan Bárta, Marek Fischer, Jan Šépka
Bauherr: City of Pardubice, Nadace Automatické mlýny
Standort: Automatické mlýny, Pardubice I 1962, 530 03 Pardubice (CZ)